Dienstag, 24. September 2013

Rezi "Die Geschichtenerfinderkinder" Martin Auer

Titel: Die Geschichtenerfinderkinder
Autor: Martin Auer & Katharina Sieg
Verlag: Langenscheidt
ISBN: 978-3-468-21024-2
Preis: 19,99 €
Genre: Kinderbuch
empfohlenes Alter: ab 5 Jahren
Format: Hardcover ohne Schutzumschlag
Seitenzahl: 144 Seiten
Erscheinungsdatum: 08.08.2013


 
5+ von 5 Sternen
*Inhalt:*
Die schönsten Geschichten sind doch die selbst erfundenen. Gemeinsam mit Karin, der Bibliothekarin, erzählen sich die Kinder zauberhafte Geschichten von Prinzessinnen in Hosentaschen und hopsenden Tigern, fliegenden Kaugummis und Babymonstern, die nicht einschlafen können.
© Langenscheidt

*Wie kam das Buch zu mir*
Ich bin ja immer auf der Suche nach Kinderbüchern, um sie mit den Kindern auf Arbeit (Mutter-Kind-Heim) zu lesen und den Müttern Anregung zu geben, wie sie Bücher zur Förderung ihrer Kinder nutzen können. Dieses Buch habe ich über Lovelybooks (Literaturportal) im Rahmen eines Leseabenteuers zur Verfügung gestellt bekommen.

*Aufmachung/Qualität*
Sowohl der Einband, als auch die Seitenstärke und die Bindung sind sehr hochwertig. Leider ist das Buch dadurch auch sehr schwer und für Kinderhände unhandlich. Beim Vorlesen kann es selbst Erwachsen etwas schwer werden, vor allem wenn die Zuhörer dann noch auf das Buch draufdrücken, weil sie etwas zeigen wollen.
Zu den Zeichnungen schreibe ich später noch mehr, aber ich möchte hier schon mal erwähnen das das Buch reich und sehr abwechslungsreich illustriert. Manche Zeichnungen nehmen eine ganze Doppelseite ein, andere eine ganze Seite und es gibt auch viele kleinere Zeichnungen, die einfach in den Text mit eingebaut werden. Perfekt um Kinder auch bei sehr umfangreichen Geschichten bei Laune zu halten.

*Meinung:*Dieses Buch erhält von mir die Sonderwertung, weil es für mich einfach alles enthält was ein gutes Kinderbuch braucht – angenehm eingebauter Lerngehalt, hoher Spass – und Erlebnisfaktor und Zeichnungen, die Kinder ansprechen. Das Buch ist noch dazu unglaublich fantasyreich und die Geschichten konnten meine Tester in den Bann ziehen und selbst ich genoss das Vorlesen. Das Buch hat mit 19,99 € einen stattlichen Preis, aber für das Geld erhält man einiges. Zudem hat es noch den Vorteil, dass es lange Zeit interessant bleiben wird und vielleicht später sogar noch selbst von den Kindern gelesen wird, wenn sie ins Lesealter kommen.

So nun aber zum Inhalt. Der ist so umfangreich, dass ich hier nur kurz anreißen werde, worum es geht. Eine neue Bibliothekarin kommt in die Stadt und engagiert sich für die Kinder. Sie organisiert Büchereinachmittage bei denen die Kinder und auch so mancher Erwachsener Geschichten erzählen. Dazu richten sie sich ein richtig tolles Lesezimmer ein, bei dem das ganze Abenteuer schon anfängt. Hier waren meine Testleser bereits begeistert und wären am liebsten mit den andern Kindern im Buch und in dem Lesezimmer gewesen. Dann beginnen die vielen kleinen Geschichten, die im Großen und Ganzen meist von den Kindern erzählt werden und je nach Alter des Kindes welches gerade die Geschichte erzählt, ist diese dann mehr oder weniger umfangreich und gehaltvoll. Es gibt aber auch Erwachsene die Geschichten erzählen. Vor allem die Bibliothekarin. Sie bezieht dann die Kinder in die Geschichten mit ein und gestaltet das ganze als eine Art Abenteuer, was sie mit den Kindern zusammen erlebt bzw. erlebt hat. Die Geschichten sind unglaublich fantasievoll und beschäftigen sich mit vielen Themen. Als Erwachsenem fällt einem sehr genau auf, dass hier bewusst Themen gewählt werden, die Kinder moralisch und sozial beeinflussen sollen. Allerdings sind sie so gut in die Geschichten verpackt, dass Kindern der Lerngehalt nicht bewusst auffällt. Meine beiden Tester waren immer sehr vertieft in die Geschichte. Beim anschließenden Reflektieren wurde deutlich, dass sie diese speziellen Themen sehr wohl aufgenommen haben und man konnte im Nachhinein gut mit ihnen darüber diskutieren. Einige dieser Themen sind zum Beispiel Tod, Verlust eines nahestehenden Menschen, alleinerziehende Eltern, Behinderungen, Karies, Sorge für ein Haustier... All diese Themen werden bereits durch stilistische Mittel in der Geschichte geschickt reflektiert, da die Kinder im Buch sich meist vor oder nach einer Geschichte über das erzählte unterhalten oder Geschichten auch durch bestimmte Kommentare von Kindern unterbrochen werden. Das Buch ist unglaublich umfangreich, aber durch die vielen kürzeren Geschichten eignet es sich trotzdem sehr gut als Gute-Nacht-Geschichten-Buch.

Die Kinder in dem Buch sind von unterschiedlicher Herkunft bzw. haben einen unterschiedlichen kulturellen Hintergrund und sie sind verschiedenen Alters. Ältere Kinder unterstützen die jüngeren Kinder, aber hier ist niemand perfekt und das ist gut so. Man hat wirklich das Gefühl diese Gruppe von Kindern könnte es tatsächlich geben und sie regieren altersentsprechend. Geschickt wird hier die Peer-Gruppe als Vermittler von moralischen und sozialen Lerninhalten genutzt. Das hat mich als Pädagogin natürlich besonders begeistert, aber ich konnte auch direkt bei meinen Testlesern miterleben wie gut dieses System funktionierte.

Die Bilder sind von Katharina Sieg. Ich mag ihre Zeichnungen ja überhaupt nicht, aber schon bei „Die Tuschelmuscheln“ waren meine Tester absolut begeistert von ihren Zeichnungen. Hier sieht man wie weit die Erwachsenenmeinung von der Kindermeinung abweichen kann. Ich persönlich finde die Zeichnungen unproportional, einfach und nicht ansprechend. Die Kinder fanden sie unglaublich witzig und sie mochten die Farben. Zum Text waren die Bilder sehr gut gewählt und inhaltlich interessant. Sie sind meist auf Humor ausgelegt, die zumindest bei meinen Tester voll ankam.

Kindermeinungen bzw. was mir bei den Kindern aufgefallen ist:

Allgemein:
Für mich war es eine Herausforderung dieses umfangreiche Buch auf Arbeit zu testen, zumal ich jedem Testkind einzeln vorlesen wollte, um ein unverfälschtes Ergebnis zu bekommen. Naja, manche Geschichten haben wir dann gemeinsam gelesen und den größten Teil habe ich dann getrennt zur Schlafenszeit vorgelesen.

Testperson A
weiblich, 5 Jahre 6 Monate
Frau Obeschlau, wie ich sie gerne nenne, war hier mal überraschend ruhig. Sonst findet sie sofort etwas 'was ja mal gar nicht so geht'. Sie findet jeden kleinen Fehler in Bildern, aber hier war sie einfach nur gebannt von den Geschichten und fasziniert von den Bildern. Allein das ist schon eine Sonderwertung für das Buch wert. Fragen zum Inhalt konnte sie mir gut beantwortet und teilte mir auch ihre Meinung zu bestimmten Dingen mit. Ihr Lieblingskapitel war das mit den Prinzessinnen, Rittern und Drachen. Auch die Lösung, die die Prinzessinnen und Ritter (und Drachen) am Ende für ihr 'Problem' fanden, gefiel ihr gut und sie hatte noch einige Vorschläge wofür man die Drachen noch hätte einsetzten können. Sie hat sich an einigen Stellen amüsiert, was ebenfalls eine Leistung ist für dieses Buch. Sonst wird ja alles lustige von ihr soweit auseinander genommen, dass es nicht mehr lustig ist. Richtig toll fand sie das Kapitel mit dem Monsterbaby. Nachdem sie mir erklärt hat, dass es keine Monster gibt und wir uns mal wieder (zum gefühlten tausendsten Mal) darauf geeinigt haben, dass es ja nur ein Geschichte ist und das ganze nicht echt ist, wollte sie die Geschichte immer und immer wieder hören. Meine Kollegen mussten sie dann in ihren Diensten ebenfalls vorlesen.
Auch wenn es oft gewollt moralisch und sozial korrekt herüberkommt, finde ich es gut, dass bewusst Kinder verschiedener Hautfarben und auch Kinder mit Behinderungen in die Geschichte und den Bildern aufgenommen wurden. Dieses Testkind hier hatte überhaupt keine Ahnung was es bedeutet eine andere Hautfarbe zu haben und war tatsächlich der Meinung das Schwarze einfach zu lange in der Sonne waren. Ich muss hier natürlich betonen, dass ich mit Müttern und Kindern der Unterschicht zusammenarbeite und auch bereits in diesem Alter schon ziemlich starke Vorurteile einfach so mit übernommen werden, weil sie diese von ihren Eltern hören. Bücher wie diese bieten solchen Kindern einen anderen Blickwinkel, solange sie nicht von Personen vorgelesen werden, die ihre eigenen Vorurteile auch ihrem Kinder vermitteln wollen. Da das Buch sich aber inhaltlich auch noch für ältere Kinder eignet könnte es wenigstens im Selbstlesealter eine andere Sichtweise vermitteln.
Bei meiner weiblichen Testleserin kamen sowohl Inhalt als auch die Zeichnungen super an. Volle Wertung.


Testperson B
männlich, 6 Jahre, 2 Monate
Dieser kleine Mann liebt Bücher und pflückt nicht wie Testperson A alles auseinander. Er war begeistert und konnte sich sehr lange auf die Geschichten konzentrieren. Mit ihm bin ich deutlich schneller vorangekommen. Durch anschließende Fragen wurde klar, dass er den Inhalt verstand und sich eigene Gedanken zu den Themen machte. Er ist ein sehr sozialer Typ und er kommentierte meist das Verhalten der Kinder. Die Rollstuhlfahrerin fand er zum Beispiel total unhöflich, auch nach einer etwas längeren Diskussion mit ihm, seiner Mutter und mir, beharrte er darauf, dass es ihm egal sei, ob sie im Rollstuhl sitzt oder nicht, er mag sie nicht weil sie so unhöflich und anstrengend ist. Im Gegensatz zu Testperson A kringelte er sich regelrecht vor lachen bei einigen Stellen. Die Gute-Nacht-Geschichte, die einer der Väter erzählt (die mit der Spinne und dem zählen ihrer Beine) fand er so toll, dass er sie noch Tage danach ständig nacherzählte und sich darüber kaputtlachte. Auch die Monster fand er unglaublich lustig gezeichnet. Die Geschichte um den Tod eines Bruders am Ende des Buches machte ihn sehr traurig. Er fühlte wirklich mit den Kindern mit.
Bei ihm war sowohl der Spaßfaktor als auch die Lerninhaltsvermittlung sehr hoch und was will man mehr von einem Buch. Er würde dem Buch auch volle Punktzahl geben.

Inhalt 5+/5
Zeichenstil 2/5
Lerngehalt 4,5/5 (sehr hoher sozialer Lerninhalt)
Spaßfaktor 5/5

*Fazit:*
Für mich ist dies aus vielen Gründen eines der besten Kinderbücher, die ich kenne. Die Geschichten sind interessant und vermitteln moralische und soziale Werte ohne auf die Kinder belehrend zu wirken. Die Zeichnungen finde ich persönlich zwar hässlich, aber den Kinder gefielen sie gut und sie ergänzten den Text perfekt. Auf so gut wie jeder Seite, zumindest auf jeder Doppelseite waren Illustrationen zu sehen. Das lockert den umfangreichen Text auf und die Kinder haben etwas zum angucken während der Erwachsenen liest. Meine beiden Testleser waren begeistert und ich als Sozialpädagogin finde das Buch pädagogisch sehr wertvoll. 

 5+ von 5 Sternen

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